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Zanskar und ein Leben mehr
Als kleines Kind verliert Dölma ihre Eltern bei der Flucht aus Tibet und
wächst bei Adoptiveltern in der Schweiz auf. Sie ist ein stilles, braves
Kind, heiratet einen Mann mit akademischer Karriere, bekommt eine Tochter.
Dann stürzt ihr Leben ab in Depression. Nur ihre Sehnsucht nach „Heimat“
hält sie aufrecht, und als die Tochter Pema-Marie achtzehn Jahre alt ist,
verlässt Dölma die Familie Richtung Tibet. In Lhasa verliebt sie sich in
einen Tibeter, doch sie tut sich schwer mit dem Lieben und das chinesische
Tibet schreckt sie ab. Enttäuscht kehrt sie nach Kathmandu zurück.
Die Freundschaft mit einer Nonne führt sie in ein Nonnenkloster nach
Zanskar, eine extrem hohe Region im westlichen Himalaya, in der die Zeit
stehengeblieben ist und das echte alte Tibet noch lebendig zu sein
scheint. Für Dölma ein schwieriges und dramatisches Jahr voller
Entbehrungen und Wunder, das ihr Hoffnung gibt. Nach der Rückkehr nach
Kathmandu will sie nur noch ein einziges Mal in die Welt der einsamen
Berge eintauchen, um mit echten Yoginis zu leben und in deren innere Welt
kompromissloser Freiheit einzutauchen. Danach, so glaubt sie, wird sie
sich ihrem alten Leben stellen können. Doch es wird eine Reise ohne
Wiederkehr.
Zehn Jahre später gelangen Dölmas Tagebücher, die sie in Kathmandu
zurückgelassen hat, in die Hände ihrer Tochter. Pema-Marie, eine moderne
Naturwissenschaftlerin und fern allem Tibetischen, fliegt mit ihrem Mann
nach Kathmandu, um die Echtheit der Tagebücher zu prüfen. Dölmas Bericht
über ihren spirituellen Entwicklungsweg und zugleich ein zutiefst
aufrichtiger Versuch, sich selbst kennenzulernen und zu verstehen,
erschüttert Pema-Maries verkapselte Ehe. Ein Lama, ein Schamane, eine
hellsichtige Einsiedlerin eröffnen neue, unerwartete Wege.
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"Ein Buch, das tief berührt und auch
Mut macht, Lebensthemen neu zu definieren, um letzendlich mit sich
selbst im Reinen zu sein." ORF
Besprechung von Kay Hoffman:
Ein paar spannende Themen fingen
mich ein: Mutter-Tochter-Problem, Heimatsehnsucht, Suche nach
Womenpower und Transzendenz - aber anders als gehabt. Eine
Frau macht sich auf nach Asien, Richtung Tibet – dass sie ein
tibetisches Adoptivkind ist, macht keinen gar so großen
Unterschied; wie viele europäische und amerikanische und
australische Frauen strebten aus ihrer veräußerlichten Welt
diesem Mittelpunkt zu, der den mythischen Namen Tibet trug,
als Tibet sich schon längst in der grausamen Umarmung des
roten China im langsamen Erstickungstod befand.
Und die Tochter, ganz ein Kind des Westens, reist ihr
unfreiwillig nach, der verschollenen Mutter, die keine gute
Mutter sein konnte und das Riesenpaket ihrer Schuld in den
eisigen Himalaya mitschleppte, wo dann alles auftaute, die
Schuld, das Herz, der Körper, der Geist. Das alles schüttet
das Tagebuch vor der Tochter aus, zieht sie mit, aus der
Sackgasse ihres konventionellen Denkens und ihrer jungen, aber
schon verfahrenen Ehe hinaus ins Freie, wo sie Raum zur
Entwicklung findet.
Und das Ganze herrlich abenteuerlich: ein Nonnenkloster am
Ende der Welt, der Geist eines Verstorbenen, der Hilfe sucht,
ein Schamane, der sieht, was niemand sehen sollte; aber noch
wichtiger sind die Abenteuer im Inneren, die auffordern, sich
in den Tanz der Dakinis zu wagen. Der Schluss bleibt offen:
die Person verschwindet. Aber das macht mich nicht traurig,
sondern befreit. Ulli Olvedi umkreist ihr grundlegendes Thema
– spirituelle Entwicklung – wieder einmal bravourös, in
menschlichen Geschichten vermittelt, ohne zu belehren; denn
nur so gehen sie unter die Haut.
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